Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 44 Abs. 1 Satz 4 GWB, 1. Juni 2015


Die Monopolkommission hat der Bundesregierung und den gesetzgebenden Körperschaften ein aus eigenem Ermessen erstattetes Sondergutachten zum Wettbewerb auf digitalen Märkten vorgelegt. Das Gutachten mit dem Titel „Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte" enthält eine vertiefte wettbewerbsökonomische und wettbewerbsrechtliche Analyse der Marktstrukturen ausgewählter digitaler Märkte. Die Monopolkommission knüpft damit an ihr XX. Hauptgutachten aus dem Jahr 2014 an, in dem sie sich erstmals zu wettbewerbs-, daten- und verbraucherschutzbezogenen Fragen im Bereich der Digitalwirtschaft geäußert hat.


Die Digitalisierung hat einen tief greifenden Strukturwandel ausgelöst, der viele Lebensbereiche erfasst und auch die Wettbewerbspolitik vor neue Herausforderungen stellt. Im Mittelpunkt des Gutachtens steht daher die Frage nach einem Reformbedarf beim rechtlichen und regulatorischen Rahmen. Dazu der Vorsitzende der Monopolkommission, Professor Daniel Zimmer: „Angesichts der Entwicklungen auf digitalen Märkten sind Anpassungen des Rechtsrahmens und der Behördenpraxis nötig. Der Anwendungsbereich der Fusionskontrolle sollte erweitert werden, Missbrauchsverfahren sind zügiger zum Abschluss zu bringen."

Gegenstand des Gutachtens sind insbesondere Märkte, auf denen Leistungen von mehrseitigen Plattformen erbracht werden. Dazu zählen Suchdienste, soziale Netzwerke und Teile des E-Commerce. Auf vielen dieser oftmals werbefinanzierten Märkte sind Nutzerdaten zu einem wettbewerbsrelevanten Faktor geworden. Sowohl die Mehrseitigkeit dieser Dienste als auch die Bedeutung von Daten gilt es nach Ansicht der Monopolkommission bei der wettbewerbspolitischen Beurteilung stärker zu berücksichtigen.

Eine spezielle Regulierung internetbasierter Dienste, wie sie insbesondere für Suchmaschinen in der Öffentlichkeit diskutiert wird, erscheint aus heutiger Sicht nicht erforderlich. Stattdessen empfiehlt die Monopolkommission Anpassungen im bestehenden Wettbewerbsrecht. So sollten die Aufgreiftatbestände der Fusionskontrolle erweitert werden, um auch Übernahmen von Unternehmen mit nur geringen Umsätzen einer wettbewerbsrechtlichen Prüfung unterziehen zu können. In Anbetracht der Dynamik digitaler Märkte und der hohen Komplexität der in diesem Bereich auftretenden Wettbewerbsprobleme empfiehlt die Monopolkommission zudem Änderungen im Verfahrensrecht für das kartellrechtliche Missbrauchsverfahren.

Einer rechtswidrigen Ausbeutung geschützter Inhalte und Daten im Internet sollte nach Ansicht der Monopolkommission mit einer Weiterentwicklung der Urheber-, Daten- und Verbraucherschutzrechte auf nationaler und europäischer Ebene begegnet werden, um die Durchsetzbarkeit der Individualrechte von Nutzern und Inhalteanbietern zu verbessern. Vor diesem Hintergrund sollte die Bundesregierung auf eine stringente Verwirklichung des Datenschutzes in der geplanten europäischen Datenschutz-Grundverordnung hinwirken.

Wettbewerbsverzerrungen, wie sie sich etwa bei sog. Share-Economy-Diensten aus einer asymmetrischen Regulierung konventioneller Dienste einerseits und neuer digitaler Dienste andererseits ergeben können, sind eine Folge des Auftretens innovativer Geschäftsmodelle. Oft wird in solchen Zusammenhängen reflexhaft die Unterstellung der neuen Wettbewerber unter die bestehende Regulierung gefordert. Die Monopolkommission empfiehlt, auch die umgekehrte Reaktion in Betracht zu ziehen: Die Befreiung der etablierten Unternehmen von der Regulierung.


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