Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 121 Abs. 2 TKG, Bonn, 15. Dezember 2011
- Die Regulierung der Teilnehmeranschlüsse im Festnetz kann aufgegeben werden, da der Markt inzwischen nachhaltig wettbewerbsorientiert ist. Sollte das etablierte Unternehmen versuchen, seine Marktposition mit missbräuchlichen Verhaltensweisen zu verteidigen, kann dem angemessen mit den Mitteln des Kartellrechts begegnet werden.
- Auf den meisten Vorleistungsmärkten ist dagegen nach wie vor ein unveränderter Regulierungsbedarf gegeben.
- Der Wettbewerb im Mobilfunk hängt maßgeblich von der gegenwärtigen Marktstruktur mit vier unabhängigen Netzbetreibern und einer größeren Anzahl von Serviceprovidern ab. Gefährdungen für den Wettbewerb können von einer zu intensiven Regulierung der Mobilfunkmärkte und der bestehenden Asymmetrie bei der Ausstattung mit Flächenfrequenzen unterhalb von 1 GHz ausgehen.
- Die Kosten des Ausbaus von Glasfasernetzen können gesenkt werden, wenn möglichst viele geeignete Infrastrukturen, auch die der öffentlichen Hand, mit genutzt werden können. Um den gegebenenfalls ineffizienten parallelen Ausbau von Glasfaser- und Kabelnetzen zu vermeiden, befürwortet die Monopolkommission die Öffnung der für Telekommunikationsanwendungen aufgerüsteten Kabelnetze für den diskriminierungsfreien Zugang anderer Anbieter.
- Der Ausbau der Glasfasernetze muss weiterhin marktgetrieben erfolgen. Die gesetzliche Verankerung eines Breitband-Universaldienstes mit Vorgaben zu bestimmten Übertragungsraten würde private Initiativen lähmen, den Wettbewerb verzerren und den Netzausbau unnötig verteuern.
- Die Einführung von weitergehenden Regelungen zur Sicherung von Netzneutralität im Sinne des Verbots von Preis- und Qualitätsdifferenzierungen im Internetverkehr sind gegenwärtig nicht zu rechtfertigen. Um bestehende Übertragungskapazitäten effizient zu nutzen, kann eine differenzierte Behandlung von Endnutzern, Anwendungen und Diensten sinnvoll sein. Der bestehende Rechtsrahmen ist ausreichend, um etwaigen Wettbewerbsbeschränkungen offensiv zu begegnen.
Die Monopolkommission hat heute ihr Sondergutachten gemäß § 121 Abs. 2 TKG unter dem Titel "Telekommunikation 2011: Investitionsanreize stärken, Wettbewerb sichern" vorgelegt. "Der dringend erforderliche Ausbau fester und mobiler Breitbandnetze muss in Deutschland weiterhin im Wettbewerb erfolgen und durch die Märkte getrieben werden. Die Regulierung der Telekommunikationsmärkte soll den Wettbewerb sichern. Sie muss allerdings mit Augenmaß betrieben werden, um die Investitionskräfte der Akteure nicht zu lähmen", so der Vorsitzende der Monopolkommission, Prof. Dr. Justus Haucap.
Auf den Endkundenmärkten der Festnetztelefonie hat die Wettbewerbsintensität in den vergangenen zwei Jahren weiter zugenommen. Das gilt für die Verbindungsmärkte und insbesondere auch für den Markt für Teilnehmeranschlüsse. Anders als noch vor zwei Jahren ist die Monopolkommission nun davon überzeugt, dass der Wettbewerb auch auf dem Markt für Teilnehmeranschlüsse nachhaltig wettbewerbsorientiert ist. Die Regulierung dieses Marktes kann aufgegeben werden. Sollte das etablierte Unternehmen versuchen, seine Marktposition mit missbräuchlichen Verhaltensweisen, wie Preis-Kosten-Scheren oder dem Setzen von Verdrängungspreisen, zu verteidigen, kann dem auch angemessen mit den Mitteln des Kartellrechts begegnet werden.
Die Regulierung des Großteils der Vorleistungen bleibt weiterhin unverzichtbar, da das Angebot der Wettbewerber auf den Endkundenmärkten in weiten Teilen von der Infrastruktur des dominierenden Anbieters abhängt.
Auf dem deutschen Mobilfunkmarkt herrscht ein intensiver Wettbewerb, der maßgeblich von den kleineren Netzbetreiber und den Serviceprovidern getragen wird. Da der Markt durch strukturelle Faktoren, wie hohe Marktzutrittsschranken, vor potenziellem Wettbewerb geschützt ist, hängt die Intensität des Wettbewerbs auf dem Markt maßgeblich davon ab, dass die gegenwärtige Marktstruktur mit vier unabhängigen Netzbetreibern erhalten bleibt. Würde einer der beiden kleineren Netzbetreiber aus dem Markt ausscheiden und würden die Marktanteile den verbleibenden Netzbetreibern zuwachsen, könnte ein Markt entstehen, auf dem sich sich drei von der Ressourcenausstattung ähnliche, bezogen auf die Unternehmensstrategie vergleichbar aufgestellte und im Hinblick auf die Marktanteile nahezu gleich starke Netzbetreiber gegenüberstehen. Theoretische und empirische Argumente sprechen dafür, dass die Wettbewerbsintensität auf einem solchen Markt sinken würde.
Gefährdungen für den Wettbewerb im Mobilfunk gehen von einer zu drastischen Regulierung der Terminierungs- und Roamingentgelte aus, die die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der kleineren Netzbetreiber beeinträchtigen können. Probleme für den Wettbewerb können auch daraus erwachsen, dass die Asymmetrie bei der Ausstattung mit Flächenfrequenzen unterhalb von 1 GHz zwischen den Netzbetreibern weiter zugenommen hat. Die Monopolkommission empfiehlt, die Neuvergabe der 900-MHz-Frequenzen zum 1. Januar 2017 zum Anlass zu nehmen, diese Asymmetrie zu vermindern.
Das zu erwartende weitere Wachstum des mobilen Datenübertragungsvolumens erfordert bei ungebrochener Entwicklung die Bereitstellung weiterer Frequenzressourcen für den Mobilfunk unterhalb von 1 GHz spätestens im Zeitraum 2018/2020. Dieses Spektrum könnte aus einer digitalen Dividende 2 gewonnen werden, indem weitere Frequenzen unterhalb von 790 MHz, die bisher dem terrestrischen Rundfunk zugeordnet sind, für den Mobilfunk verfügbar gemacht werden.
Ursachen für den bisher unzureichenden Ausbau der Glasfasernetze sind u.a. die hohen Kosten des Netzausbaus und die bisher geringe Nachfrage nach hochbitratigen Breitbandanschlüssen. Die Kosten des Netzausbaus lassen sich durch die Mitnutzung vorhandener und geplanter Infrastrukturen, insbesondere auch von Infrastrukturen des Bundes - wie etwa Bundesfernstraßen und Eisenbahnnetze - reduzieren. Die Monopolkommission begrüßt die Aufnahme entsprechender Regelungen in das Telekommunikationsgesetz. Kritisch ist, wenn Regulierungsbehörden Kosten für die Mitverlegung von Glasfaserleitungen in Stromnetz- und Gasleitungsgräben durch Energieversorger den Strom- und Gasnetzentgelten zurechnen, weil sich dabei eine Quersubventionierung der Telekommunikationsnetze nicht vollständig vermeiden lässt. Nicht überzeugend ist die Idee, zur besseren Finanzierung von Glasfaserinvestitionen ein grundbuchähnliches eigenes Register einzurichten. Es ist zu erwarten, dass die Kosten eines solchen Registers dessen Nutzen übersteigen.
Um den gegebenenfalls ineffizienten parallelen Ausbau von Glasfaser- und Kabelnetzen außerhalb von Ballungsräumen zu vermeiden, befürwortet die Monopolkommission die Öffnung der für Telekommunikationszwecke aufgerüsteten TV-Kabelnetze für den diskriminierungsfreien Zugang anderer Anbieter. Dabei ist eine freiwillige Öffnung der Netze im Rahmen einer Open-Access-Strategie einer regulatorischen Öffnung vorzuziehen. Um gleiche Wettbewerbschancen zwischen Telekommunikationsnetz- und Kabelnetzbetreibern zu gewährleisten, sind ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile der Kabelnetzbetreiber, wie das Nebenkostenprivileg, abzuschaffen.
Die Monopolkommission lehnt die Verankerung eines Breitband-Universaldienstes mit Vorgaben zu bestimmten Übertragungsraten im Telekommunikationsgesetz ab. Dagegen sprechen die damit verbundenen negativen Investitionsanreize, die wettbewerbsverzerrenden Wirkungen und die hohen Kosten. Der Breitbandausbau muss in Deutschland weiterhin marktgetrieben erfolgen. Bleiben Versorgungslücken, können diese sehr viel gezielter und kostengünstiger mit Förderprogrammen geschlossen werden, die mit den europäischen Beihiferegelungen vereinbar sind.
Ebenfalls abzulehnen sind weitergehende Regelungen zur Sicherung von Netzneutralität im Sinne des Verbots von Preis- und Qualitätsdifferenzierungen im Internetverkehr. Der bestehende Rechtsrahmen ist ausreichend, um etwaigen Wettbewerbsbeschränkungen offensiv zu begegnen. Um die Übertragungskapazitäten effizienter zu nutzen, kann eine differenzierte Behandlung von Endnutzern, Anwendungen und Diensten sinnvoll sein. Die Einschränkung der Möglichkeiten zur Preis- und Qualitätsdifferenzierung im Internetverkehr können Wohlfahrteinbußen bewirken und sind pauschal nicht zu rechtfertigen.
Hier finden Sie:
die Pressemitteilung der Monopolkommission
Wichtiger Hinweis: Die Nummerierung der Textziffern hat sich in der vorliegenden berichtigten Fassung geändert. Gegenüber der Erstveröffentlichung wurde ein Fehler in der Nummerierung behoben, so dass sich ab Textziffer 150 alle folgenden um sieben Punkte weiter nach vorne verschoben haben.