Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 121 Abs. 2 TKG, Bonn, 14. Dezember 2009
- Die Monopolkommission lehnt die europäischen Initiativen ab, die Regulierung des Mobilfunks zu intensivieren.
- Die Monopolkommission lehnt prinzipiell eine Regulierungsphilosophie ab, die das Ziel hat, Marktergebnisse im Detail zu steuern. Regulierung sollte vor allem Wettbewerb ermöglichen, nicht aber versuchen, Marktergebnisse bereits festzulegen.
- Bei der Vergabe der Frequenzen aus der digitalen Dividende ist daher gegebenenfalls durch Roamingauflagen sicherzustellen, dass der Wettbewerb im Mobilfunk erhalten bleibt. Eine Änderung der Auktion selbst ist dazu nicht erforderlich. Die mit den Frequenzen verknüpften Versorgungsauflagen sollten so ausgestaltet sein, dass die Frequenzinhaber die Lücken bei der Breitbandversorgung rasch und effizient schließen können.
- Priorität beim Auf- und Ausbau der Breitbandnetze der nächsten Generation haben private Investitionen. Diese setzen vor allem stabile und vorhersehbare Rahmenbedingungen sowie die Sicherung des Wettbewerbs voraus. Die Anreizwirkungen einer wachstums- und innovationsorientierten Regulierung bleiben dagegen begrenzt. Einzelne Elemente einer solchen Strategie können den Wettbewerb auf den Breitbandmärkten sogar gefährden. Der neue europäische Rechtsrahmen für die Telekommunikationsmärkte sollte zur Herstellung von Rechtssicherheit möglichst rasch in nationales Recht umgesetzt werden.
- Der neue europäische Rechtsrahmen für die Telekommunikationsmärkte sollte zur Herstellung von Rechtssicherheit möglichst rasch in nationales Recht umgesetzt werden.
- Der Endkundenmarkt für Teilnehmeranschlüsse ist trotz der positiven Entwicklung des Wettbewerbs weiterhin regulierungsbedürftig. Allerdings kann die Regulierungsintensität verringert werden.
- Auf den meisten Vorleistungsmärkten ist nach wie vor unveränderter Regulierungsbedarf gegeben.
Die Monopolkommission hat heute ihr Sondergutachten gemäß § 121 Abs. 2 TKG unter dem Titel "Telekommunikation 2009: Klaren Wettbewerbskurs halten" vorgelegt. "Der Titel ist als Plädoyer an die Bundesregierung, die Europäische Kommission und die Bundesnetzagentur zu verstehen, bei der Regulierung der Telekommunikationsmärkte, der Förderung des Breitbandausbaus sowie der Umsetzung des neuen europäischen Rechtsrahmens in nationales Recht den bisherigen Kurs einer klaren Wettbewerbsorientierung nicht zu verlassen", so der Vorsitzende der Monopolkommission, Prof. Dr. Justus Haucap.
Die Monopolkommission lehnt die Intensivierung der Mobilfunkregulierung in der Europäischen Union ab. Die weitere Absenkung der grenzüberschreitenden Tarife für Mobilfunkgespräche und der Entgelte für das International Roaming, die Ausweitung der Regulierung auf grenzüberschreitende Datendienste sowie die recht drastische Absenkung der Entgelte bei den Vor- und Endkundenleistungen erscheint aus der Sicht der Verbraucher zwar kurzfristig positiv, kann die Leistungsfähigkeit insbesondere der kleineren Mobilfunknetzbetreiber aber übersteigen. Eine Harmonisierung der Berechnungsmethoden für Terminierungsentgelte ist nicht notwendig.
Die Monopolkommission begrüßt, dass die Lücken bei der Breitbandversorgung schnell geschlossen werden sollen. Bei der Vergabe der Frequenzen aus der digitalen Dividende sollte der Wettbewerb dadurch gesichert werden, dass die Nutzungsrechte gegebenenfalls mit Roamingauflagen versehen werden. Sollten sich im Anschluss an die Vergabe der Frequenzen im Mobilfunk gravierende Wettbewerbsprobleme ergeben, kann das nach europäischem und deutschem Telekommunikationsrecht die Regulierung des Marktes nach sich ziehen. Bei den Versorgungsauflagen plädiert die Monopolkommission dafür, diese so zu gestalten, dass die unterversorgten Gebiete nach einem ökonomischen Kalkül ausgebaut werden können, statt eine Versorgung nach der Einwohnerzahl vorzuschreiben. Dabei ist eine ineffiziente Doppelung von Infrastrukturen zu vermeiden.
Die Monopolkommission sieht wie die Bundesregierung die Notwendigkeit, den Aus- und Aufbau hochleistungsfähiger Breitbandnetze zu unterstützen. Strittig ist die Frage nach effizienten Formen der Förderung. Von besonderer Bedeutung für das Investitionsverhalten der Unternehmen ist die Vorhersehbarkeit und Stabilität der Rahmenbedingungen sowie der Wettbewerb durch konkurrierende Infrastrukturen, wie die (TV-)Kabelnetze. Die Unsicherheiten im Hinblick auf die zukünftigen Rahmenbedingungen sollten verringert werden, indem der neue europäische Rechtsrahmen für die Telekommunikationsmärkte möglichst rasch in nationales Recht umgesetzt wird. Die Wettbewerbsfähigkeit der Kabelnetzbetreiber auf den Telekommunikationsmärkten ließe sich stärken, wenn die vertikale Trennung der Netzebenen und die Zersplitterung des Endkundenmarktes überwunden werden könnte.
Eher kritisch steht die Monopolkommission der wachstums- und innovationsorientierten Regulierung gegenüber, da deren Anreizwirkungen überschätzt werden und die Maßnahmen oftmals schädlich für den Wettbewerb sind. Das gilt für Kooperationen beim Netzausbau wie für Arrangements zur Risikoteilung zwischen Netzbetreibern und Nachfragern nach Netzzugang. Grundsätzlich zu befürworten ist die Verlängerung der Regulierungsperioden, weil dies zur Erhöhung der Planungssicherheit beiträgt. Problematisch ist allerdings der vorgeschlagene Zeitraum von fünf bis zehn Jahren. Solch lange Regulierungsperioden sind wegen der langen Bindungsfristen bei einer gleichzeitig bestehenden hohen Marktdynamik nicht sinnvoll. Von besonderer Bedeutung ist, dass beim Übergang zu den Netzen der nächsten Generation das bisher erreichte Wettbewerbsniveau erhalten bleibt. Dazu ist es unter anderem notwendig, effiziente Marktzutritte auch dann zu gewährleisten, wenn Hauptverteiler im Zuge des Netzausbaus abgebaut werden.
Die Monopolkommission spricht sich grundsätzlich gegen eine staatliche Bereitstellung von Breitbandnetzen oder deren Subventionierung in einem größeren Umfang aus.
Der neue europäische Rechtsrahmen für die Telekommunikationsmärkte beinhaltet Regelungen zur Verbesserung des Verbraucher- und Datenschutzes, der Frequenzverwaltung sowie des Zugangs zu Notrufdiensten. Uneingeschränkt zu begrüßen ist, dass die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden weiter gestärkt wird. Kritisch sieht die Monopolkommission die Einführung eines Ko-Regulierungsverfahrens, mit dem die Einheitlichkeit von Regulierungsmaßnahmen in der Gemeinschaft gewährleistet werden soll. Das Beteiligungsverfahren auf der Gemeinschaftsebene wird damit komplexer und bürokratischer, die Verfahrensdauer verlängert sich. Ebenfalls kritisch ist, dass die Europäische Kommission zukünftig Entscheidungen zur harmonisierten Anwendung von Richtlinien erlassen kann. Dadurch werden die Möglichkeiten der nationalen Regulierungsbehörden eingeschränkt, die Besonderheiten der nationalen Telekommunikationsmärkte flexibel zu berücksichtigen. Mit der Einrichtung eines Gremiums Europäischer Regulierungsstellen schreitet die Zentralisierung der Regulierung in Europa voran. Dies geht zulasten der Flexibilität und verhindert den Wettbewerb der Regulierungssysteme. Zudem besteht das Risiko, dass das Ausmaß an Regulierung eher zu- als abnimmt.
Auf den Endkundenmärkten der Festnetztelefonie hat die Wettbewerbsintensität in den vergangenen zwei Jahren weiter zugenommen. Das gilt für die Verbindungsmärkte und insbesondere auch für den Markt für Teilnehmeranschlüsse. Während die Verbindungsmärkte bereits aus der Regulierung entlassen sind, ist die vollständige Deregulierung des Marktes für Teilnehmeranschlüsse gegenwärtig noch nicht möglich. Möglich ist allerdings die Reduzierung der Regulierungsintensität. Dem Risiko, dass das eingesessene Unternehmen seine Marktposition mit missbräuchlichen Praktiken wie ungerechtfertigter Bündelung, Preis-Kosten-Scheren oder Preisdumping zu verteidigen versucht, kann angemessen im Rahmen der nachträglichen Regulierung begegnet werden.
Die Regulierung des Großteils der Vorleistungen ist weiterhin unverzichtbar, da das Angebot der Wettbewerber auf den Endkundenmärkten in weiten Teilen von der Infrastruktur des dominierenden Anbieters abhängt.
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