Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 44 PostG in Verbindung mit § 81 Abs. 3 TKG 1996, Bonn, 15. Dezember 2011
Monopolkommission moniert stagnierenden Wettbewerb auf Postmärkten
- Monopolkommission stellt fest, dass die Wettbewerbsentwicklung auf den Briefmärkten stagnierend ist
- Monopolkommission legt ein umfassendes Konzept zur Förderung des Wettbewerbs auf den Postmärkten vor
Die Monopolkommission hat heute ihr siebtes Sondergutachten zur Wettbewerbsentwicklung auf den Postmärkten vorgestellt. Das Gutachten trägt den Titel "Post 2011: Dem Wettbewerb Chancen eröffnen". Gegenüber dem letzten Post-Sondergutachten aus dem Jahr 2009 stellt die Monopolkommission eine relativ unveränderte Wettbewerbssituation fest. "Der Anstieg der Marktanteile der Wettbewerber auf knapp über 10 % kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wettbewerbsentwicklung auf den Briefmärkten stagnierend ist und dort noch kein funktionierender Wettbewerb besteht", so der Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap.
Für diese stagnierende Wettbewerbsentwicklung sind eine Vielzahl institutioneller Wettbewerbshindernisse verantwortlich. So verfügt die Bundesnetzagentur nach dem Postgesetz nicht über ausreichende Ermittlungsbefugnisse, um missbräuchliches Verhalten der marktbeherrschenden Deutschen Post AG (DPAG) effektiv aufzudecken und dann abzustellen. Die Monopolkommission unterbreitet dazu zahlreiche Vorschläge zur Novellierung des Postgesetzes.
Die Monopolkommission empfiehlt unter anderem die explizite Wiedereinführung der Ex-ante-Entgeltgenehmigungspflicht für Teilleistungsentgelte der DPAG, da der Zugang zu Teilleistungen der marktbeherrschenden DPAG aufgrund der stagnierenden Sendungsmengen im Briefbereich und der gestiegenen Menge der über den Teilleistungszugang eingelieferten Sendungen als entscheidend für die zukünftige Entwicklung des Wettbewerbs anzusehen ist.
Zudem empfiehlt die Monopolkommission, eine Vorlagepflicht von individuellen Großkundenverträgen der DPAG bei der Bundesnetzagentur einzuführen. Solche individuellen Preisvereinbarungen unterliegen der nachträglichen Kontrolle durch die Bundesnetzagentur. Damit diese ein Verfahren der Entgeltkontrolle einleiten kann, muss sie jedoch über belastbare Hinweise auf ein möglicherweise wettbewerbswidriges Verhalten der DPAG verfügen. Aus eigener Initiative kann sie allerdings keine anderen Verträge als Teilleistungsverträge einsehen.
Die Monopolkommission hat in der Vergangenheit in ihren Sondergutachten wiederholt die Praxis der Entgeltberechnung durch die Bundesnetzagentur im Briefbereich kritisiert und Absenkungen des Portos angemahnt. In ihrem heute vorgelegten Sondergutachten würdigt die Monopolkommission die deutlich erkennbaren Verbesserungen der Entgeltregulierung in diesem Bereich. Zugleich weist die Monopolkommission aber - auch vor dem Hintergrund der jüngeren Berichterstattung in den Medien über die Regulierungspraxis im Briefbereich - erneut darauf hin, dass sie anders als in den Bereichen Strom, Gas und Telekommunikation bei der Postregulierung kein Recht hat, die Akten der Bundesnetzagentur einzusehen. Sie fordert den Gesetzgeber erneut auf, die gesetzliche Grundlage für ein solches Akteneinsichtsrecht für die Monopolkommission zu schaffen.
Die Monopolkommission weist darauf hin, dass nach heutiger Gesetzeslage die DPAG nicht mehr verpflichtet ist, den Universaldienst zu erbringen. Die DPAG erbringt diesen freiwillig im Rahmen ihrer Unternehmensstrategie. Die Kosten für diese freiwillig erbrachten Leistungen sollten aus Sicht der Monopolkommission weder Wettbewerbern der Deutschen Post in Rechnung gestellt werden noch zu einer Preiserhöhung führen. Die Monopolkommission empfiehlt daher, die entsprechenden rechtlichen Regelungen zu ändern.
Die Neuregelung der Umsatzsteuerbefreiung stellt noch immer ein Wettbewerbshindernis dar. Seit Juli 2010 sind nicht mehr die unmittelbar dem Postwesen dienenden Umsätze der DPAG, sondern nur noch Universaldienstleistungen unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist unter anderem, dass der Postdienstleister sich verpflichtet hat, zumindest einen Teilbereich der Universaldienstleistung flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten. Damit kann faktisch nur die DPAG Universaldienstleistungen umsatzsteuerbefreit anbieten. Die Monopolkommission empfiehlt, dass sich die Bundesrepublik Deutschland auf europäischer Ebene für eine Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie einsetzt. Art. 132 Abs. 1 lit. a) MwStSystRL, welcher regelt, dass die von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachten Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen von der Steuer befreit sind, sollte gestrichen werden. Damit würde eine wettbewerblich neutrale Lösung geschaffen, da alle Anbieter für die gleiche Leistung steuerlich gleich behandelt würden, auch dann, wenn sie nur lokal oder regional tätig sind.
Die Monopolkommission spricht sich erneut dagegen aus, im Postsektor einen branchenspezifischen Mindestlohn einzuführen. Der Tarifvertrag über Mindestlöhne für die Branche der Briefdienstleistungen wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit einer Verordnung im Dezember 2007 für allgemeinverbindlich erklärt. Diese Verordnung wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Januar 2010 für unwirksam erklärt. Der überhöhte Mindestlohn für Briefdienstleistungen verhinderte die Entfaltung von funktionsfähigem Wettbewerb auf den Märkten für Briefdienstleistungen und stellte ein Hindernis für den Wettbewerb dar. Aufgrund dieser wettbewerbsbehindernden Wirkung des Postmindestlohns sollte der Gesetzgeber einem möglichen neuen Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags über Mindestlöhne nicht nachkommen.
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