Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, 09. Oktober 2023
Die Monopolkommission stellt heute ihr neuntes Sektorgutachten Energie vor.
- Wettbewerbsorientierte Sicherung der Energieversorgung erforderlich.
- Die Importstruktur bei Gas sollte stärker diversifiziert und flexibilisiert werden.
- Im Stromsektor empfiehlt die Monopolkommission einen wettbewerbsgesteuerten Kapazitätsmarkt.
- Die Energiepreisbremsen sollten auslaufen; direkte Transferzahlungen sind Preiseingriffen auf der Haushaltsebene vorzuziehen.
- Bei der Elektromobilität müssen Ausschreibungen auf kommunaler Ebene unterstützt werden und mehrere Wettbewerber an Raststätten zum Zuge kommen.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine führt auch auf den Energiemärkten zu unvorhergesehenen Entwicklungen, die die bereits bestehenden Herausforderungen im Rahmen von Energie- und Verkehrswende noch verstärken. „Insbesondere in unsicheren Zeiten sollte die wettbewerbsorientierte Sicherung der Energieversorgung oberste Priorität haben, um die Belastungen für Haushalte und Industrie zu mildern“, so der Vorsitzende der Monopolkom-mission, Prof. Dr. Jürgen Kühling.
In ihrem heute veröffentlichten 9. Sektorgutachten Energie analysiert die Monopolkommission die Wettbewerbssituation in verschiedenen Bereichen der Energiewirtschaft und empfiehlt der Bundesregierung konkrete Maßnahmen, welche die Sicherheit und Effizienz der Energieversorgung verbessern sollen.
© BMWK / Andreas Mertens
Das Gutachten fokussiert einerseits auf verschiedene Vorleistungs- bzw. Großhandelsmärkte für Strom und Gas. Hier steht insbesondere im Fokus, wie die Versorgungssicherheit langfristig gewährleistet werden kann. Dazu muss im Gasmarkt die Importstruktur stärker diversifiziert und flexibilisiert werden. Ferner sollte zur frühzeitigen Identifikation von Versorgungsrisiken ein datenbasierter Versorgungsrisikoindex in den Notfallplan Gas der Bundesnetzagentur aufgenommen werden, um mögliche Risiken für die Versorgungssicherheit frühzeitiger erkennen zu können. Im Strombereich gehen Risiken für die Versorgungssicherheit insbesondere von der anstehenden Transformation des Energiesystems hin zu kohlenstofffreien, aber häufig wetterabhängigen Einspeiseformen aus. Um hier in Zeiten geringer Einspeisung Versorgungssicherheit zu schaffen, sollte die Bundesregierung das bestehende System der strategischen Kraftwerksreserve durch einen wettbewerblich gesteuerten Kapazitätsmarkt für gesicherte Leistung ersetzen.
Im Unterschied zur strategischen Reserve sind im Kapazitätsmarkt alle beschafften flexiblen Kapazitäten stets am Markt einsetzbar. Im wettbewerbsgesteuerten Kapazitätsmarkt beschaffen Stromversorger und Großkunden ihren erwarteten Bedarf an Kraftwerkskapazitäten im Voraus. Diese Kapazitäten können dann von der Bundesregierung gezielt aufgestockt werden, um verbleibende Risiken für die Versorgungssicherheit zu vermeiden.
Die Monopolkommission hat auch die Endkundenmärkte für Energie untersucht. Insbesondere die Gasverknappung infolge des Krieges in der Ukraine hat zu Unsicherheit und Preissteigerungen für Haushalte und Industrie geführt. Daher sind der Wettbewerb zwischen mehreren Anbietern und die Wechselbereitschaft von Verbraucherinnen und Verbrauchern umso wichtiger, um langfristig bezahlbare Preise zu sichern. Die Wechselbereitschaft könnte etwa durch Informationskampagnen erhöht werden. Bei den Regelungen zur Grund- und Ersatzversorgung sollten Alternativen zum jetzigen System geprüft werden. Bei diesem wird der größte Anbieter automatisch zum Grundversorger und kann somit seine Marktmacht erhalten. Eine Alternative ist ein Ausschreibungsmodell zur Bestimmung des Grundversorgers. Sollte nach dem geplanten Auslaufen der Gaspreisbremse im Dezember 2023 Unterstützungsbedarf bestehen, sind direkte Transferzahlungen an bedürftige Haushalte besser geeignet als Eingriffe in die Preisbildung. Preiseingriffe verzerren Knappheitssignale und sind zudem aus Verteilungssicht ungenau, da auch einkommensstarke Haushalte von ihnen profitieren.
Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren auch im Bereich der Elektromobilität von einem Wettbewerb der Anbieter von Ladeinfrastruktur. Die Monopolkommission stellt hier einen weiterhin hohen, aber abnehmenden Konzentrationsgrad der einzelnen Anbieter fest. Die größten Anbieter verfügen über einen immer noch hohen durchschnittlichen deutschlandweiten Marktanteil von 49 bzw. 45 Prozent bei Normal- und Schnellladepunkten. Die Monopolkommission bietet ab heute eine Website an, auf der zahlreiche regionale Daten, z. B. auch der relevante Marktanteil des größten Anbieters vor Ort, detailliert abgerufen werden können (Link).
Die Monopolkommission empfiehlt, die Kommunen bei Ausschreibungen zum wettbewerblichen Ladesäulenaufbau zu unterstützen und die finanzielle Förderung an entsprechende Bedingungen zu knüpfen. Ein funktionierender Wettbewerb um Autobahn-Ladesäulen erfordert den Zugang mehrerer Wettbewerber zu den Raststätten. Schließlich sollten die Preise für das Ad-hoc-Laden den Ladekundinnen und -kunden zugänglich gemacht werden.
Hier finden Sie:
die Pressemitteilung
das Sondergutachten im Volltext