Sondergutachten der Monopolkommission, gemäß § 36 AEG, Bonn, 19. September 2011
- Monopolkommission stellt fest, dass sich der Wettbewerb auf den deutschen Märkten für Personen- und Güterverkehr nur langsam entwickelt
- Monopolkommission bemängelt, dass in den letzten Jahren von politischen Handlungsträgern keine entscheidenden Impulse für eine erfolgreiche Wettbewerbsentwicklung ausgegangen sind
- Monopolkommission legt ein umfassendes Konzept zur Förderung des Wettbewerbs auf den Eisenbahnmärkten vor
Die Monopolkommission hat der Bundesregierung heute ihr drittes Sondergutachten zur Wettbewerbsentwicklung auf den Eisenbahnmärkten übergeben. Das Gutachten trägt den Titel "Bahn 2011: Wettbewerbspolitik unter Zugzwang". Die eingehende Analyse des deutschen Eisenbahnsektors zeigt, dass sich der Wettbewerb auf den Märkten für Personen- und Güterverkehr weiterhin nur langsam entwickelt und nach wie vor erhebliche Wettbewerbsdefizite bestehen.
Die Monopolkommission stellt in den letzten Jahren kaum entscheidende Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen auf den Eisenbahnmärkten fest und sieht politische Entscheidungsträger nun unter Zugzwang. "Der Staat muss endlich konsequente Maßnahmen ergreifen, um stabile und faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Davon profitieren insbesondere die Verbraucher", so der Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap.
Insbesondere da von politischen Entscheidungsträgern keine Impulse für eine erfolgreiche Wettbewerbsentwicklung ausgegangen sind, entfaltet sich der Wettbewerb auf den Märkten für Personen- und Güterverkehr nur langsam. Die Töchter der Deutschen Bahn AG verfügen in allen Teilmärkten weiterhin über sehr dominante Positionen. Grundsätzlich beurteilt die Monopolkommission die Wettbewerbsintensität und die bestehenden Rahmenbedingungen im Eisenbahnverkehr als nicht zufriedenstellend. Die Monopolkommission zeigt in ihrem Gutachten auf, wo entscheidender Handlungsbedarf besteht, um dem Ziel eines wirksamen Wettbewerbs und eines attraktiven Verkehrsangebots auf der Schiene zum Vorteil der Verbraucher näher zu kommen.
Nach Auffassung der Monopolkommission weist der Regulierungsrahmen erhebliche Defizite auf. Sie fordert daher weiterhin die zeitnahe Einführung einer Anreizregulierung, welche die bestehende Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung geeignet ergänzt. Dadurch wird die Infrastruktur effizienter bewirtschaftet, sodass Infrastrukturkosten und -entgelte sinken. Darüber hinaus sollte die gesetzliche Verpflichtung des Infrastrukturbetreibers, Auslastung und Beschaffenheit der Infrastruktur transparent darzustellen, verändert werden. Des Weiteren sind umfangreichere und klarere Vorgaben für den Zugriff auf Serviceeinrichtungen wie Rangierbahnhöfe oder Wartungseinrichtungen notwendig. Um auch im Fernverkehr Wettbewerb zu schaffen, sollten die Regelungen überarbeitet werden, nach denen langfristige Rahmenverträge abgeschlossen werden können. Durch diese und weitere geforderte Maßnahmen können die bestehenden Effizienzverluste und Diskriminierungspotenziale eingeschränkt werden.
Zu konstatieren ist, dass wesentliche Wettbewerbsprobleme unmittelbar auf die integrierte Struktur des Branchenführers Deutsche Bahn AG zurückzuführen sind und aus seinen Möglichkeiten und Anreizen resultieren, Wettbewerber auf den Verkehrsmärkten bei der Nutzung des Schienennetzes, der Bahnhöfe und weiterer Anlagen zu benachteiligen. Die Monopolkommission sieht daher eine sofortige vollständige institutionelle Trennung von Infrastruktur- und Transportsparten der Deutschen Bahn AG als zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Wettbewerbsentwicklung bei der Bahn an. Dazu sollten die Transportgesellschaften des Konzerns eigentumsrechtlich privatisiert werden und die Infrastrukturunternehmen zunächst in Staatshand verbleiben.
Die Bedingungen der Versorgung der Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Elektrizität stellen ein zentrales Hindernis für den Wettbewerb dar. Weil unklar bleibt, ob durch eine aktuelle Grundsatzentscheidung des BGH zur Regulierung der Durchleitungsentgelte für Bahnstrom die Probleme bei der Energieversorgung gelöst werden, empfiehlt die Monopolkommission die Vorschriften des Energierechts an die Erfordernisse des Bahnsektors anzupassen. Dazu sollten für Eisenbahnverkehrsunternehmen spezielle Bahn-Lastprofile zu Anwendung kommen.
Die Monopolkommission hat festgestellt, dass Verfahrensabläufe des Eisenbahn-Bundesamtes wichtige Hindernisse bei der Durchführung effizienter Verkehre darstellen, und zeigt notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation mit den Eisenbahnunternehmen auf. Aufgrund prinzipieller Unzulänglichkeiten der bestehenden Rahmenbedingungen empfiehlt die Monopolkommission, die Übertragung einzelner Aufgaben des Eisenbahn-Bundesamtes auf privatwirtschaftliche Überwachungsstellen zu prüfen.
Die Monopolkommission begrüßt die grundlegende Entscheidung der Bundesregierung, einen eigenwirtschaftlichen Linienfernverkehr mit Bussen in Deutschland zu ermöglichen, sieht allerdings mit der geplanten Genehmigungspflicht einhergehende Einschränkungen der Liberalisierung des Marktes kritisch.
Hier finden Sie: