Sondergutachten der Monopolkommission, gemäß § 36 AEG, Bonn, 21. September 2009
- Monopolkommission stellt fest, dass der Wettbewerb auf den deutschen Märkten für Personen- und Güterverkehr nur langsam Fahrt aufnimmt
- Monopolkommission fordert konsequente Maßnahmen des Staates, um stabile und faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen
- Monopolkommission legt umfassendes Konzept zur Förderung des Wettbewerbs auf den Märkten für Eisenbahnverkehr vor
Die Monopolkommission hat der Bundesregierung heute ein Sondergutachten zur Wettbewerbsentwicklung bei der Bahn übergeben. Das Gutachten trägt den Titel "Bahn 2009: Wettbewerb erfordert Weichenstellung". Die Analyse des deutschen Eisenbahnsektors zeigt, dass der Wettbewerb auf den Märkten für Personen- und Güterverkehr nur langsam Fahrt aufnimmt und erhebliche Wettbewerbshindernisse die Aktivitäten vieler Anbieter einschränken.
Die Monopolkommission hat festgestellt, dass im deutschen Bahnsektor zahlreiche Wettbewerbsprobleme bestehen, durch die der Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten limitiert wird. Eine wesentliche Ursache liegt in der Struktur des Branchenführers Deutsche Bahn AG. Durch die Verbindung von Infrastruktur und Transportsparte hat das Unternehmen gegenüber den übrigen Anbietern deutliche Vorteile beim Zugang zur Eisenbahninfrastruktur. Diesem wie weiteren Problemen trägt die Monopolkommission mit einem umfassenden Konzept Rechnung.
Der wichtigste Hebel, um ein wirkliches "Mehr an Wettbewerb" zu erreichen, liegt in der Trennung von Infrastruktur und Transportsparte der Deutschen Bahn AG. Die Monopolkommission empfiehlt daher der Bundesregierung, die Transportunternehmen der Deutschen Bahn möglichst bald zu privatisieren, um die Unabhängigkeit der Eisenbahninfrastrukturbetreiber sicherzustellen. Auf diesem Wege entfallen viele Diskriminierungsanreize, und allen Eisenbahnverkehrsunternehmen könnte das Netz, die Bahnhöfe und weitere Anlagen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden. "Faire Wettbewerbsbedingungen beim Zugriff auf die Infrastruktur sind unabdingbare Voraussetzung für einen effizienten Qualitäts- und Preiswettbewerb bei der Bahn und zum Vorteil der Verbraucher", so der Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap.
Die Monopolkommission hat die Vorschriften über die Zugangsentgelte zur Eisenbahninfrastruktur untersucht und erhebliche Schwächen der Wirksamkeit der bestehenden Regulierung festgestellt. Sie fordert die Einführung einer Anreizregulierung, durch die die Eisenbahninfrastruktur effizienter, verbunden mit geringeren Diskriminierungsmöglichkeiten, bewirtschaftet werden kann.
In ihrem Gutachten untersucht die Monopolkommission im einzelnen die Teilmärkte für Schienenpersonennahverkehr, Schienenpersonenfernverkehr und Schienengüterverkehr. Im Schienenpersonennahverkehr hängt die Wettbewerbsentwicklung von der Bereitschaft ab, auslaufende Verkehrsverträge in einem wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren zu vergeben. Wettbewerbliche Vergabeverfahren sind Garant für ein besseres Leistungsangebot. Die Monopolkommission fordert, zukünftig alle Verkehrsaufträge im Schienenpersonennahverkehr wettbewerblich auszuschreiben. Der Gesetzgeber sollte zudem das Verfahren regulieren, mit dem der gemeinsame bundesweite Tarif im Schienenpersonennahverkehr vereinbart wird.
Im Schienenpersonenfernverkehr besteht bisher kaum relevanter Wettbewerb, obwohl der deutsche Markt grundsätzlich für private Anbieter geöffnet ist. Eine Ursache ist das Refinanzierungsrisiko für notwendige erhebliche Investitionen eines neuen Anbieters. Die Monopolkommission empfiehlt eine gesetzliche Initiative, durch die Transparenzverpflichtungen für den Netzbetreiber über Auslastung und Zustand des Netzes in das Eisenbahnrecht aufgenommen werden. Zudem sollten die Vorgaben überarbeitet werden, nach denen die Eisenbahnverkehrsunternehmen langfristige Rahmenverträge über die Trassennutzung abschließen. Auf diesem Wege könnte der Gesetzgeber potenziellen neuen Anbietern zusätzliche Möglichkeiten geben, um die Grundlagen ihres Geschäftsmodells abzusichern.
Der Schienengüterverkehr hat seit der Bahnreform die beste Wettbewerbsentwicklung gezeigt. Allerdings konzentriert sich der Wettbewerb bisher auf den sogenannten Ganzzugverkehr, der keine Zugumbildungen erfordert. Bei logistisch aufwendigen Leistungen wie dem sogenannten Einzelwagenverkehr krankt die Wettbewerbsentwicklung beim Zugriff auf die notwendigen Serviceeinrichtungen der Deutschen Bahn AG. Eine striktere Regulierung und Kontrolle ist erforderlich, um den Wettbewerbern den diskriminierungsfreien Zugang zu Rangierbahnhöfen und Zugbildungsanlagen zu ermöglichen.
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die Pressemitteilung mit politischen Handlungsempfehlungen
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