Sondergutachten der Monopolkommission, gemäß § 62 EnWG, Bonn, 12. September 2011


  • Monopolkommission stellt fest, dass die Wettbewerbsentwicklung auf einzelnen Märkten im Strom- und Gassektor zwar Fortschritte macht, verschiedene erhebliche Wettbewerbshindernisse im Energiesektor jedoch fortbestehen.
  • Monopolkommission fordert klare wettbewerbskonforme Ausrichtung der staatlichen Energiepolitik insbesondere im Hinblick auf Konzepte zur Förderung Erneuerbarer Energien.
  • Monopolkommission legt umfassendes Konzept zur Förderung des Wettbewerbs auf den Energiemärkten vor.

Die Monopolkommission hat heute ihr drittes Sondergutachten § 62 des Energiewirtschaftsgesetzes mit dem Titel "Strom und Gas 2011: Wettbewerbsentwicklung mit Licht und Schatten" vorgestellt. Die vertiefte Analyse des deutschen Strom- und Gasmarktes zeigt, dass auf vielen Märkten der leitungsgebundenen Energieversorgung in Deutschland weiterhin Wettbewerbsdefizite vorliegen. Auf einigen Märkten haben die Bemühungen zur Entwicklung einer wirksamen Wettbewerbsordnung für den Energiesektor jedoch bereits positive Wirkungen entfaltet.

Insgesamt sieht die Monopolkommission bessere Wettbewerbsbedingungen auf Energiemärkten als noch vor zwei Jahren. "Eine wettbewerblichere Marktstruktur auf der Endkundenebene sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass vor allem auf der Erzeugungsebene im Stromsektor und aufgrund der Konzentration des Gasangebots auf vorgelagerten Import- und Großhandelsmärkten nach wie vor ganz erhebliche Wettbewerbsdefizite bestehen", so der Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap.

Im Erdgasgroßhandel verfügen einzelne Unternehmen, insbesondere solche aus gasexportierenden Staaten, weiterhin über erhebliche Marktmacht, auch wenn hier durch den Ausbau des Pipelinenetzes, die Entwicklung des Flüssiggashandels und das Wachstum der europäischen Spotmärkte bereits wichtige Gegenbewegungen erkennbar sind. Auch die Regulierung der Gasnetze hat zuletzt deutliche Fortschritte gemacht; grundsätzlich sind jedoch viele europäische Gasmärkte nach wie vor unzureichend liquide und Regulierungsstrukturen entwicklungsbedürftig. Der im Stromsektor erzielte europäische Integrationsgrad wurde im Gassektor noch nicht erreicht. Wichtige nächste Schritte liegen in einer besseren Verbindung europäischer Gasmärkte zu einem gemeinsamen Handelsraum.

Auf den Stromerzeugungsmärkten war zuletzt ein Rückgang des immer noch hohen Konzentrationsniveaus zu beobachten. Eine Kurzanalyse der Auswirkungen eines schnelleren Atomausstiegs hat ergeben, dass sich dieser Rückgang ausweiten wird. Demgegenüber wurden bei der wettbewerblichen Kontrolle dieser Märkte und nachgelagerter Stromhandelsmärkte bisher kaum Fortschritte erzielt. Vor allem im Rahmen verschiedener Initiativen der EU-Kommission bzw. der diskutierten Einrichtung einer deutschen Markttransparenzstelle sollten die Voraussetzungen für das effektive Funktionieren dieser Märkte und deren behördliche Kontrolle verbessert werden, beispielsweise durch die Anwendung verhaltensbasierter Modelle.

Eine Vielzahl marktlicher Verwerfungen resultieren zudem aus der Marktordnung bei erneuerbaren Energien. Der erwartete Anstieg des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung legt nahe, dass die Marktverzerrungen hier weiter zunehmen und sich zudem ungünstig auf die Verbraucher auswirken werden. Die Monopolkommission erachtet daher einen grundsätzlichen Wechsel in ein marktnäheres System für überfällig und bedauert, dass eine marktkonformere Ausgestaltung des EEG bei der aktuellen Novelle verpasst worden ist. Die Monopolkommission schlägt den Wandel zu einem Quotensystem vor, in dessen Rahmen Stromhändler verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil an erneuerbaren Energien in ihrem eigenen Beschaffungsportfolio vorzuhalten.

Bei der Beurteilung der Wettbewerbsaufsicht durch die Europäische Kommission und das Bundeskartellamt kritisiert die Monopolkommission insbesondere die für die Entwicklung des Wettbewerbs kontraproduktive und wettbewerbsökonomisch fragwürdige Anwendung der Preismissbrauchskontrolle gemäß § 29 GWB im Heizstromsektor und die Einstellung der Verfahren durch Zusagenentscheidungen. Die diskutierte Verlängerung der Geltungsdauer des § 29 GWB lehnt sie ab.

Die Monopolkommission hat zahlreiche weitere Probleme untersucht und fordert z.B. für Bahnstromnetze eine grundsätzliche Anpassung der Regulierung zur Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse in diesem Sektor. Des Weiteren stellt sie fest, dass sich die Beteiligung von Kommunen und anderen Gebietskörperschaften an Energieversorgungsunternehmen, oft als Rekommunalisierung bezeichnet, nicht mit Effizienzargumenten rechtfertigen lässt. Im Hinblick auf Leitungsengpässe in inländischen Stromversorgungsnetzen wird in der Regel ein Netzausbau diskutiert. Die Monopolkommission macht auf alternative Lösungen aufmerksam und stellt auch die Schaffung von mindestens zwei Preiszonen und die Anwendung eines effizienten Engpassmanagementverfahrens zur Diskussion.


Hier finden Sie:

die Pressemitteilung mit politischen Handlungsempfehlungen

das Gutachten im Volltext (Berichtigte Fassung, 23.12.2011)