XXIII. Hauptgutachten gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB, 29. Juli 2020


Die Monopolkommission hat gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB den gesetzlichen Auftrag, den Stand und die Entwicklung der Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen. Seit Beginn der Berichterstattung ist die Beurteilung der aggregierten Unternehmenskonzentration Teil des Konzentrationsberichts. Zu diesem Zweck ermittelt die Monopolokommission regelmäßig die hundert größten Unternehmen in Deutschland und berechnet den Anteil der inländischen Wertschöpfung der „100 Größten“ an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung. Dieser Anteil ist im Berichtszeitraum leicht gesunken und beträgt im Berichtsjahr 2018 14,8 Prozent. Der zu beobachtende rückläufige Trend seit Beginn der Berichterstattung setzt sich damit fort. Die Monopolkommission ermittelt zudem die personellen Verflechtungen und die Kapitalverflechtungen zwischen den „100 Größten“. Acht Unternehmen aus dem Kreis der „100 Größten“ sind an 31 Unternehmen aus dem Kreis der „100 Größten“ mit mehr als 1 Prozent beteiligt. Im Vergleich zum Berichtsjahr 2016 hält damit eine geringere Anzahl an Unternehmen Anteile an einer insgesamt größeren Anzahl an Unternehmen aus dem Kreis. Bei den „100 Größten“ sind im Jahr 2018 42 personelle Verflechtungen über Geschäftsführer zu beobachten, d. h. Geschäftsführer eines Unternehmens waren in Kontrollgremien anderer Unternehmen aus dem Kreis der „100 Größten“ vertreten. Nach einem deutlichen Rückgang von 45 Verbindungen im Jahr 2014 auf nur noch 34 Verbindungen im Jahr 2016, bedeutet dies zwar eine Wiederzunahme. Im längerfristigen Trend ist hier allerdings eine Stabilisierung des Niveaus zu konstatieren. Dagegen ist die Anzahl an Verflechtungen über Personen ohne Geschäftsführungsmandat, etwa über Aufsichtsratsmandate in mehreren Unternehmen aus dem Kreis der „100 Größten“, auf 88 Verflechtungen im Jahr 2018 (nach 113 im Jahr 2016) gesunken.

Neben der Analyse der aggregierten Unternehmenskonzentration werden der Stand und die Entwicklung der Unternehmenskonzentration in Wirtschaftsbereichen sowie von unternehmensspezifischen Preisaufschlägen als Indikatoren für Marktmacht ermittelt. Die sektorübergreifende Unternehmenskonzentration hat sich in Deutschland im Zeitraum 2007 bis 2015 weitgehend konstant entwickelt. Zwischen den Jahren 2015 und 2017 kann jedoch in einigen Wirtschaftsbereichen eine steigende Konzentration festgestellt werden. So lässt sich ein deutlicher Anstieg der Konzentration in den Bereichen Dienstleistungen und Baugewerbe um zuletzt 17,1 Prozent bzw. 10,3 Prozent beobachten (2015–2017). In der Industrie hat sich die Konzentration im selben Zeitraum dagegen um durchschnittlich 8,3 Prozent verringert; der Handel blieb nahezu unverändert. Zudem lässt sich ein überproportionaler Konzentrationsanstieg in den Wirtschaftszweigen mit den höchsten Konzentrationswerten beobachten. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise ist davon auszugehen, dass der konjunkturelle Einbruch in einzelnen stark betroffenen Wirtschaftszweigen mittelfristig zu einem Anstieg der Unternehmenskonzentration führen wird. Vergleichbare wirtschaftliche Entwicklungen haben im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 bis 2010 die Konzentration einzelner Wirtschaftszweige um durchschnittlich 10 Prozent erhöht. Die Analyse der sektorübergreifenden Entwicklung von Preisaufschlägen auf Grundlage repräsentativer Unternehmensdaten der amtlichen Statistik ergibt einen durchschnittlichen Anstieg in der Industrie. Der umsatzgewichtete durchschnittliche Preisaufschlag ist in der Industrie zwischen 2008 und 2017 um 17 Prozent angestiegen. Im Dienstleistungssektor weisen die Ergebnisse dagegen auf ein Sinken des gewichteten Durchschnittspreisaufschlages im selben Zeitraum um gut 14 Prozent hin.

Insgesamt sieht die Monopolkommission für die Unternehmenskonzentration in Deutschland weiterhin keinen besorgniserregenden Trend und damit keinen unmittelbaren wettbewerbspolitischen Handlungsbedarf. Allerdings sind der leicht steigende Trend in der sektorübergreifenden Unternehmenskonzentration sowie die steigenden umsatzgewichteten Preisaufschläge in der Industrie weiterhin zu beobachten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund möglicher Auswirkungen der Corona-Krise auf Marktstrukturen und Marktmacht von Unternehmen in Deutschland. Es besteht weiterer Forschungsbedarf vor allem hinsichtlich der Ursachen ansteigender Konzentration und Preisaufschläge in manchen Bereichen der deutschen Wirtschaft, um die Frage beantworten zu können, ob die beobachteten Entwicklungen auf einen Anstieg von Marktmacht hindeuten, oder vielmehr auf Effizienzsteigerungen und eine zunehmende Investitionstätigkeit.


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