Hauptgutachten gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB, 20. September 2016


  • Branchenübergreifende Unternehmenskonzentration in Deutschland, gemessen am Wertschöpfungsanteil der 100 größten Unternehmen, ist leicht rückläufig
  • Monopolkommission sieht ein wettbewerbsverzerrendes Potenzial durch indirekte Beteiligungen zwischen Portfoliounternehmen über institutionelle Anleger
  • Monopolkommission sieht derzeit keinen Bedarf zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der europäischen Fusionskontrolle auf nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligungen zwischen horizontal oder vertikal verflochtenen Unternehmen

Die Monopolkommission untersucht im Rahmen ihres Einundzwanzigsten Hauptgutachtens den Stand und die Entwicklung der Unternehmenskonzentration in Deutschland und Europa. Hierzu der Vorsitzende der Monopolkommission Prof. Achim Wambach: „Die Unternehmenskonzentration in Deutschland gibt derzeit grundsätzlich keinen Anlass für wettbewerbliche Bedenken. Besondere Aufmerksamkeit verlangen allerdings indirekte Unternehmensverflechtungen von Wettbewerbern über Minderheitsbeteiligungen institutioneller Anleger."

Der Wertschöpfungsanteil der 100 größten Unternehmen in Deutschland an der Wertschöpfung aller Unternehmen in Deutschland lag 2014 bei 15,8 Prozent und ist damit gegenüber dem letzten Berichtsjahr 2012 leicht rückläufig. Darüber hinaus hat auch die Verflechtung der „100 Größten" untereinander moderat abgenommen. Dies gilt für Verflechtungen über Kapitalanteile sowie über Mehrfachmandatsträger, etwa in Aufsichtsräten. Diese Indikatoren lassen auf eine rückläufige branchenübergreifende Unternehmenskonzentration schließen.

Erstmals untersucht die Monopolkommission die wettbewerblichen Auswirkungen von Minderheitsbeteiligungen institutioneller Investoren, wie Versicherungen, Investment- und Pensionsfonds sowie Private Equity Firmen, an mehreren Unternehmen eines Wirtschaftsbereichs. Die indirekten Verbindungen von Wettbewerbern über solche Minderheitsbeteiligungen haben das Potenzial, die Anreize zu wettbewerblichem Verhalten abzuschwächen. Die Untersuchung der Monopolkommission zeigt, dass auch in Deutschland viele institutionelle Anleger mehrere Portfoliounternehmen in einem Wirtschaftsbereich halten. Besonders ausgeprägt ist dies in dem Bereich der Herstellung von Computern sowie optischer und elektronischer Ausrüstung und dem Bereich der Maschinen- und Fahrzeugherstellung. Für die wettbewerbsverzerrenden Effekte solcher Beteiligungen gibt es erste empirische Hinweise. Daher regt die Monopolkommission an, den indirekten Unternehmensverflechtungen über Minderheitsbeteiligungen institutioneller Anleger künftig mehr Aufmerksamkeit beizumessen.

Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt der Monopolkommission liegt auf Minderheitsbeteiligungen zwischen horizontal oder vertikal verflochtenen Unternehmen. Es handelt sich um Unternehmen, welche auf demselben Markt miteinander konkurrieren oder auf vor- oder nachgelagerten Märkten tätig sind. Derartige Beteiligungen können in der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie – ebenso wie Mehrheitsbeteiligungen – zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Von der europäischen Fusionskontrolle werden Minderheitsbeteiligungen allerdings nur dann erfasst, wenn ein Kontrollerwerb festgestellt werden kann. Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der europäischen Fusionskontrolle auf Minderheitsbeteiligungen ohne Kontrollerwerb wird jedoch von der Monopolkommission derzeit nicht empfohlen. Ihre Untersuchung europäischer Unternehmensverflechtungen über Minderheitsbeteiligungen hat keine belastbaren Hinweise auf Wettbewerbsverzerrungen durch horizontale oder vertikale Minderheitsbeteiligungen ergeben. Die Monopolkommission begrüßt daher, dass die Europäische Kommission diesem Vorhaben derzeit keine Priorität beimisst.


Hier finden Sie:

die Pressemitteilung

Kapitel II des Hauptgutachtens: Stand und Entwicklung der Konzentration und Verflechtung von Großunternehmen

Kapitel III des Hauptgutachtens: Europäische Unternehmensverflechtungen