Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 44 PostG, Bonn, 14. Dezember 2009


  • Monopolkommission stellt eine stagnierende Wettbewerbssituation auf den Briefmärkten fest
  • Monopolkommission gibt detaillierte Handlungsempfehlungen zur Förderung des Wettbewerbs

Die Monopolkommission beurteilt die Wettbewerbsentwicklung auf den Briefmärkten seit der Liberalisierung in ihrem heute vorgestellten Sondergutachten "Post 2009: Auf Wettbewerbskurs gehen" als miserabel. Die am 1. Januar 2008 durch den Wegfall der Exklusivlizenz für Briefe bis 50 g für die Deutsche Post AG formal erfolgte Liberalisierung wurde - wie erwartet - durch den Erhalt der Mehrwertsteuerbefreiung für die Deutsche Post AG und die Einführung des Mindestlohns für Briefzusteller konterkariert. "Die Marktdominanz der Deutschen Post AG im Briefbereich ist nicht nur erhalten geblieben, sondern hat sich im Jahr 2008 sogar noch verstärkt. Damit setzen sich die seit Jahren zu beobachtenden, außerordentlich hohen Umsatzrenditen der Deutschen Post AG im Briefbereich fort", so der Vorsitzende der Monopolkommission, Prof. Justus Haucap. Insofern begrüßt die Monopolkommission das im Koalitionsvertrag angelegte Vorhaben der neuen Bundesregierung, die Wettbewerbsentwicklung auf den Briefmärkten zu fördern. Positiv wertet die Monopolkommission die wettbewerbliche Entwicklung im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste, die sich in den letzten Jahren als Wachstumsträger und Jobmotor im Postmarkt erwiesen haben.

Die stagnierende Wettbewerbsentwicklung bei Briefdienstleistungen ist die Folge zahlreicher institutioneller und regulatorischer Hindernisse und Wettbewerbsbeschränkungen. Nach der Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf Briefdienstleistungen wurde Ende 2007 ein zwischen dem von der Deutschen Post AG dominierten Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossener Mindestlohntarifvertrag via Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärt, der sogar die Forderungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes übertraf. Weil die Beschäftigten der Deutschen Post AG überwiegend nach einem Haustarifvertrag bezahlt werden, ist faktisch die Mehrzahl der Beschäftigten, die unter diesen Tarifvertrag fallen, bei den Wettbewerbern beschäftigt. Dem Unternehmen ist es hierdurch gelungen, die Arbeitskosten seiner Wettbewerber zu erhöhen, ohne selbst betroffen zu sein. Die Monopolkommission hatte bereits vor Erlass der Rechtsverordnung auf die ökonomische Wirkung des Postmindestlohns und die juristische Zweifelhaftigkeit einer branchenweiten Erstreckung hingewiesen. Inzwischen wurde die Rechtsverordnung bereits von zwei Gerichten für rechtswidrig erklärt; die Entscheidung in der Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht steht noch aus. Zahlreiche Wettbewerber sind aus dem Markt ausgetreten oder haben ihre Pläne zum großflächigen Markteintritt zurückgestellt. Damit hat der Mindestlohn die Entfaltung von funk­tionsfähigem Wettbewerb im Briefbereich stark behindert. Die Monopolkommission erneuert ihren Vorschlag, dem Bundeskartellamt künftig bei jeder Form der Allgemeinverbindlicherklärung ein Anhörungsrecht einzuräumen. Damit wird bezweckt, dass die Auswirkungen auf den Produktmarktwettbewerb und die Interessen der Verbraucher bei der Entscheidung des Bundesarbeitsministers hinreichend berücksichtigt werden.

Die Mehrwertsteuerbefreiung der Deutschen Post AG verschafft dem Unternehmen einen Kostenvorteil von fast 19 Prozent gegenüber ihren mehrwertsteuerpflichtigen Wettbewerbern. Diese Ungleichbehandlung behindert den Wettbewerb insbesondere um nicht mehrwertsteuerpflichtige (d.h. nicht vorsteuerabzugsberechtigte) Kunden wie Privatkunden, Behörden, Banken und Versicherungen, Wohlfahrtsverbände und Krankenhäuser, die ca. 50 Prozent des Marktes ausmachen. Wegen hoher Synergieeffekte bei der Zustellung wirkt sich diese Wettbewerbsverzerrung auch massiv auf den Wettbewerb um mehrwertsteuerpflichtige (d.h. vorsteuerabzugsberechtigte) Kunden aus. Selbst ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland hat die letzte Bundesregierung nicht dazu gebracht, die Privilegierung der Deutschen Post AG abzuschaffen. Dabei macht ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von April 2009 klare Vorgaben: Die Steuerbefreiung muss für öffentliche oder private Unternehmen gelten, die sich verpflichten, den gesamten Universalpostdienst oder einen Teil davon in einem Mitgliedstaat zu gewährleisten; die Befreiung ist auf die Angebote anzuwenden, die zum Universaldienst (nach nationaler Definition) zählen.

Die Deutsche Post AG hat weiterhin die Möglichkeit, die Mehrkosten für die Erbringung des Universaldienstes und alle Sonderlasten aus der Rechtsnachfolge der Deutschen Bundespost bei der Entgeltgenehmigung berücksichtigen zu lassen. Dafür sieht die Monopolkommission keine Rechtfertigung. Das Unternehmen ist nicht mehr zur Erbringung des Universaldienstes verpflichtet, sondern erbringt diesen - aus eigenem Interesse - freiwillig. Eine Entschädigung für Altlasten ist durch die jahrelangen Monopolgewinne aus der Exklusivlizenz für Standardbriefe bis Ende 2007 inzwischen mehr als ausreichend erfolgt. Die Deutsche Post AG konnte im Jahr 2008 eine Umsatzrendite von 15,7 Prozent im Briefbereich erzielen. Der Bereich der Privatkundenpost unterliegt der Price-Cap-Regulierung. Die Monopolkommission erneuert ihre Kritik an der Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Maßgrößen der Price-Cap-Regulierung und fordert die Behörde abermals dazu auf, das Ausgangsniveau der Entgelte zu senken und den Faktor für die Berücksichtigung der Produktivität zu erhöhen, damit die Verbraucher an den erreichten und zukünftig zu erwartenden Effizienzgewinnen der Deutschen Post AG adäquat teilhaben. Der Bereich der Geschäftskundenpost unterliegt seit Januar 2008 nur noch der Ex-post-Entgeltkontrolle. Hier müssen die Ermittlungsbefugnisse der Bundesnetzagentur dringend gestärkt werden, um den hohen Anreizen der Deutschen Post AG zu missbräuchlichem Verhalten durch eine schnelle und wirksame Missbrauchsaufsicht zu begegnen.

Beim Zugang der Wettbewerber zu den Postfachanlagen der Deutschen Post AG berichten die Wettbewerber von zahlreichen Problemen, sodass es für sie in der Praxis oftmals günstiger sei, Briefe mit Postfachadressen voll frankiert bei der Deutschen Post AG einzuliefern, die Sendungen an die Hausadressen zuzustellen (sofern bekannt) oder Aufträge auszuschlagen, in denen viele postfachadressierte Sendungen enthalten sind. So ist die Nachfrage nach dem Zugang zu Postfachanlagen sehr gering. Ähnliche Beschwerden wurden im Berichtszeitraum gegenüber der Monopolkommission über die Einlieferungsbedingungen beim Zugang der Wettbewerber zum Beförderungsnetz der Deutschen Post AG (Teilleistungszugang) vorgebracht; inzwischen hat die Bundesnetzagentur die Deutsche Post AG dazu veranlasst, die Einlieferungsbedingungen wettbewerbsfreundlicher zu gestalten. Nach Ansicht der Monopolkommission stellt eine Beeinträchtigung des Zugangs der Wettbewerber zur Infrastruktur der Deutschen Post AG eine beträchtliche Wettbewerbsbehinderung dar. Die Monopolkommission fordert die Bundesnetzagentur daher auf, die Zugangsprobleme, die der Deutschen Post AG anzulasten sind, zu identifizieren und unverzüglich abzustellen.

Die Monopolkommission hält es für dringend geboten, dass der Bund sich schnellstmöglich von allen Finanzinstrumenten trennt, die dazu führen, dass der Fiskus ein spezielles finanzielles Interesse am Wohlergehen der Deutschen Post AG hat.


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die Pressemitteilung mit politischen Handlungsempfehlungen

das Gutachten im Volltext